Negative VwGH-Entscheidung zur Geschlechtseintrags-Streichung bei nicht-binären Personen

Es gibt Neuigkeiten zu zwei Verfahren, wo nicht-binäre Personen die Streichung ihres Geschlechtseintrags erlangen wollten: Nach bis zuletzt noch positiven Entscheidungen des Wiener Verwaltungsgerichts dazu, hat nun der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass diese aus „biologischen“ Gründen keinen Zugang dazu haben können, sowie dass das Personenstandsgesetz nicht konform sei mit einer Streichung.

Das tut uns nicht nur für die betroffenen Personen und alle leid, die dadurch länger auf ihre rechtliche Anerkennung warten müssen, die Ausführungen des VwGH sind in Teilen für uns nicht ganz nachvollziehbar oder wirken auch etwas widersprüchlich zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs und anderer Judikatur.

Beim Thema rechtliche Expertise verweisen wir aber gerne auf z.B. die Juristin Elisabeth Greif, die einen ausführlichen Artikel dazu geschrieben hat: https://verfassungsblog.de/trans-inter-personen-osterreich/

Das Berufen auf die Basis des „biologischen Geschlechts“ hat nach Medienberichten (siehe Standard-Bericht und die Aussendung des RKL) große Unsicherheit bei allen hervorgerufen, deren Geschlechtsidentität dem nicht entspricht, was ihnen bei Geburt zugewiesen wurde.

Grundsätzlich sollte sich derzeit nichts ändern zu den bestehenden Möglichkeiten der Personenstandsänderungen durch diese Entscheidung. Die Erlässe des Innenministeriums, auf Basis des VfGH-Erkenntnisses aus dem Jahr 2018, gelten weiterhin für die alternativen Geschlechtseinträge. Das Gleichbehandlungsgesetz, das Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – wozu auch die Identität zählt – verbietet, gilt weiterhin in Österreich. Und auch auf EU-Ebene und der Europäischen Menschenrechtskonvention haben wir Schutz der individuellen Geschlechtsidentität. Und wie der Verfassungsgerichtshof schon dargelegt hat, müssen Menschen keine staatliche Geschlechtszuweisung akzeptieren, die nicht richtig ist. Auch dieser Grundsatz hat sich nicht geändert.

Trotzdem möchten wir euch nahelegen, wenn ihr einen alternativen Geschlechtseintrag (inter, divers, offen, kein Eintrag) anstrebt, ihn lieber rasch zu beantragen und mit zu bedenken, dass die Streichung aktuell ablehnend vom VwGH betrachtet wurde. Auch für intergeschlechtliche Personen gibt es hier zwar Hürden, aber wenn sie fachärztlich eine Variante der Geschlechtsentwicklung nachweisen können, haben sie grundsätzlich die Möglichkeit dazu.

Wir werden in ein paar Monaten sehen, was die weiteren rechtlichen Schritte der klagenden Parteien bringen, da diese natürlich in Revision gehen, Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einlegen und zur nächsten Instanz gehen. Alex Jürgen* hat das im Rechtsweg zur Erreichung der alternativen Geschlechtseinträge auch alles durchgemacht. Man muss tatsächlich in Jahren planen dabei. Wir drücken die Daumen dafür und halten euch natürlich auf dem Laufenden!

Wir wissen nicht, was die kommende Regierung bringt, zumindest vermuten wir Verschlechterungen, wenn wir auf die Parteiprogramme und parlamentarischen sowie medialen Aussagen der derzeit verhandelnden Parteien schauen, die zu einem falschen, eingeschränkten Bild der Zweigeschlechtlichkeit zurückkehren möchten. Wir sind aber da, schon immer, und wir geben nicht auf! Gemeinsam mit transgeschlechtlichen und nicht-binären Menschen werden wir weiterhin uns dafür einsetzen, dass wir Schutz, Respekt und Anerkennung erfahren! Alle, die zu Menschenrechten und Gleichbehandlungen arbeiten, stehen hinter uns. Wir müssen diese Allianzen stärken.

Der Verein Venib, der die Genderklage ganz viel unterstützt, hat diese Stellungnahme veröffentlicht, wo ihr auch die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs im Detail nachlesen könnt und noch mehr Updates dazu bekommt: https://venib.at/vwgh-streichung/

Hier kann man die Entscheidung mit ergänzender Stellungnahme des VwGH direkt lesen:

https://www.vwgh.gv.at/rechtsprechung/aktuelle_entscheidungen/ro2023010008.html

Meldet euch, wenn ihr Bedarf zum Austausch oder Fragen dazu habt – wir sind immer für euch da.

 

Es gibt aber auch international neue Gerichts-Fälle, die positive Entwicklungen darstellen: Darunter der Europäische Gerichtshof, der im Jänner entschieden hat, dass Personen nicht dazu verpflichtet werden dürfen, bei einem (Kauf-)Vertragsabschluss eine geschlechtsbezogene Anrede anzugeben.

Auf Deutsch dazu: https://www.datenschutz-notizen.de/eugh-erfassung-des-geschlechts-nur-dann-wenn-es-zwingend-erforderlich-ist-0251782/

Die gemeinsame Pressemitteilung von TGEU und ILGA Europe auf Englisch dazu:

https://tgeu.org/joint-statement-welcoming-cjeu-judgment-to-halt-unlawful-gender-title-collection/