Über Inter*
FAQ
Inter*, Intergeschlechtlich, Intersex, Zwischengeschlecht, Variationen der Geschlechtsmerkmale, VdG, … – was ist das?
Die Gesellschaft – und somit auch die Medizin – hat sehr enge Vorstellungen davon, was ein „Mann“ und was eine „Frau“ ist..
Ein „Mann“ hat XY-Chromosomen, Testosteron und Spermien produzierende Hoden in einem Hodensack unterhalb seines Penis, der bei der Geburt größer als 2,5 Zentimeter ist und in dessen Eichel die Harnröhre mündet. Sein Körper reagiert auf das Testosteron in der Pubertät mit Haarwuchs, Stimmbruch und Muskelwachstum.
Eine „Frau“ hat XX-Chromosomen, weibliche Hormone und Eizellen produzierende Eierstöcke, eine in eine Gebärmutter mündende Scheide unter ihrer bei der Geburt weniger als 0,7 cm großen Klitoris und der darunterliegenden Harnröhre. Ihr Körper reagiert auf die weiblichen Hormone mit der Produktion von Eizellen und Brustwachstum.
Manche Menschen werden allerdings mit intergeschlechtlichen Genitalien geboren oder besitzen Geschlechtsmerkmale (chromosomal, anatomisch und/oder hormonell), die nicht den „klassischen Idealen“ eines rein männlichen oder weiblichen Körpers entsprechen – sie sind Inter*.
Es gibt also auch nicht den einen intergeschlechtlichen Körper – im Gegenteil, es gibt eine sehr große Vielfalt!
Synonym zum Begriff inter* verwenden wir auch „Variationen der Geschlechtsmerkmale“ – und darüber hinaus gibt es viele medizinische Begriffe, die einzelne Variationen beschreiben (und pathologisieren). Mehr dazu auf der Homepage unserer Beratungsstelle VARGES.
Geschlechtsidentität & alternative Geschlechtseinträge
Die Geschlechtsidentität intergeschlechtlicher Menschen kann inter* sein, muss aber nicht. Sie können auch eine männliche, weibliche oder eine ander nicht-binäre Identität haben.
Für jene, die sich nicht als Mann oder Frau definieren, gibt es seit 2019 die Möglichkeit, einen alternativen Geschlechtseintrag in Urkunden (Geburtsurkunde, Reisepass, …) zu beantragen. Mehr Infos dazu haben wir hier zusammengefasst: Question & Answers Dritte Option
Aktuell kommt es zu massiven Problemen mit der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen auf der Verwaltungsebene. Unsere Position dazu haben wir in einer Stellungnahme zusammengefasst.
Geschlechtervielfalt und Sprache
Geschlechtergerechte Sprache ist ein Gebot der Gleichbehandlung – mit der Einführung des dritten Geschlechtseintrags wurde diese Gleichstellungspolitik nun ausgeweitet und gilt nicht mehr nur für Frauen und Männer, sondern auch für Menschen, die sich nicht-binär identifizieren.
Weitere Erklärungen und Hinweise zu geschlechtergerechter Sprache gibt es bei der Antwort auf die nächste Frage.
Warum steht bei euch oft ein Stern (*) am Wortende oder in der Wortmitte, z.B. bei inter* ?
Dieser Stern (*) heißt in der Fachsprache „Asterisk“ und wir verwenden ihn, um geschlechtliche Vielfalt auch sprachlich sichtbar zu machen. Es gibt nicht nur Männer und Frauen und der Stern in der Wortmitte macht darauf aufmerksam. Beim Sprechen wird eine ganz kurze Pause gemacht, der Stern wird nicht mitgesprochen.
Der Stern (*) am Ende von inter* steht bei uns für die vielfältigen und unterschiedlichen Selbstbezeichnungen und Lebensrealitäten von inter* Menschen. Intergeschlechtliche Menschen sind vielfältig. Das wollen wir sichtbar machen.
Gerne verweisen wir auf verschiedene Informationen und aktuelle Empfehlungen zu geschlechterinklusiver Sprache:
- Broschüre „Geschlechtersensible Sprache – Dialog auf Augenhöhe“ der Gleichbehandlungsanwaltschaft:
https://www.gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at/dam/jcr:8a95ec39-a1ba-4cc0-9c0e-ba9f22cdbc62/231128_Leitfaden_geschl-Sprache_A5_BF.pdf - Leitfaden für Inklusive Sprache „Platz für gerechte Kommunikation“ der Johannes Kepler Universtität Linz – Langversion, Kurzversion und in Leichter Sprache zu finden unter:
https://www.jku.at/abteilung-personalentwicklung-gender-diversity-management/referate/referat-gender-diversity-management - „Empfehlung zu gendergerechter, digital barrierefreier Sprache – eine repräsentative Studie“ der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit und Informationstechnik:
https://dgti.org/wp-content/uploads/2024/01/empfehlung-zu-gendergerechter-digital-barrierefreier-sprache-studie-koehler.pdf - Informationen des BSVÖ (Blinden und Sehbehindertenverband Österreich) zum Thema barrierearm gendern:
https://www.blindenverband.at/de/information/gendern - Informationen des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband) zum Thema barrierearm gendern:
https://www.dbsv.org/gendern.html
Es werden soviele verschiedene Begriffe verwendet – warum?
Sprache ist lebendig und ständig in Veränderung. Es gibt Begriffe die früher üblich waren und heute nicht mehr – und genauso werden auch immer wieder neue Begriffe geprägt. Es gibt Wörter, die einen positiven oder negativen Beigeschmack haben und Wörter die aus der Medizin oder Biologie kommen oder aus anderen Sprachen. Wir verwenden die Begriff „intergeschlechtlich“ und „Variationen der Geschlechtsmerkmale“.
mehr zu Inter* und Sprache gibts in der gleichnamigen Broschüre von TransInterQueer hier zum download: https://inter.transinterqueer.org/publication/inter-und-sprache/
Wie viele Inter* Menschen gibt es?
Bis zu 1,7% der Bevölkerung sind auf die eine oder andere Weise intergeschlechtlich (siehe Blackless et. al, 2000).
Bei etwa 1 von 2000 Kindern wird die Intergeschlechtlichkeit bereits bei der Geburt festgestellt, andere erfahren davon erst später im Leben – oder auch gar nicht.
Je nach Definition und verwendeter Literatur werden allerdings sehr unterschiedliche Zahlen verwendet. Hier zwei Artikel für alle, die sich genauer mit diesen Schätzungen auseinandersetzen möchten:
Wie wird Intergeschlechtlichkeit festgestellt?
In manchen Fällen wird Intergeschlechtlichkeit gleich nach der Geburt des Kindes festgestellt, da die äußeren Genitalien nicht klar männlich oder weiblich zugeordnet werden können.
In anderen Fällen wird es erst später im Leben erkannt, zum Beispiel wenn die Pubertät ausbleibt oder anders verläuft als erwartet, oder wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt und deswegen ein*e Ärzt*in aufgesucht wird.
Und ganz viele Menschen, die nach unserer Definition inter* sind, würden nie im Leben daran denken, dass es so sein könnte!
Ist Intergeschlechtlichkeit eine Krankheit?
Intergeschlechtlichkeit ist keine Krankheit und keine Störung, genauso wenig wie Männlichkeit oder Weiblichkeit – allerdings werden dem viele Mediziner*innen widersprechen, und viele Formen von Intergeschlechtlichkeit stehen auch immer noch im internationalen Krankheitsindex, zusammengefasst als „Disorders of Sexual Development“. Damit gilt es für viele als „behandlungsbedürftig“.
Hauptargument ist noch immer die These, ein Mensch bräuchte ein „eindeutiges Geschlecht“ für eine „gesunde“ psycho-sexuelle Entwicklung. Dabei sind es nicht die Kinder, die operative Behandlung benötigen, sondern die Eltern, die psycho-soziale Unterstützung brauchen!
Wie werden Inter* Menschen in der Medizin heute behandelt?
Es kommt natürlich darauf an, in welchem Alter Menschen damit konfrontiert werden und unter welche Diagnose sie bei Ärzt*innen fallen. Je nachdem wird den Eltern oder den Jugendlichen aber von Mediziner*innenseite geraten, sich für eines der beiden anerkannten Geschlechter zu entscheiden. Die Option, einfach so zu bleiben wie mensch ist, wird meist nicht angeboten.
Stattdessen werden die Möglichkeiten aufgezeigt, den intergeschlechtlichen Körper chirurgisch und hormonell zu verändern: Gonaden entfernen, eine „zu große Klitoris“ verkleineren bzw. einen „zu kleinen Penis“ vergrößern, die Harnröhre verlegen, eine künstliche Vagina angelegt, Pubertätshemmer verabreichen, weibliche oder männliche Hormone geben. Keimdrüsen zu entfernen bedeutet in jedem Fall, dass der*die Betroffene ein Leben lang auf Hormonersatztherapie angewiesen ist und fortpflanzungsunfähig ist. Geschlechtszuweisende Eingriffe richten oft großen Schaden an wie z.B. Sensibilitätsstörungen.
Viele Betroffene berichten von frühen, traumatisierenden Eingriffen und Behandlungen und haben oft Probleme mit dem verordneten Geschlecht, weil dieses als aufgezwungen erlebt wird.
NEU: Im September 2019 wurden die 95 Seiten starken „Empfehlungen zu Varianten der Geschlechtsentwicklung“ des Gesundheitsministeriums auf dessen Homepage veröffentlicht. VIMÖ war an der Erstellung beteiligt und sieht in dem Papier die Realität recht gut abgebildet: Ein Schwanken zwischen der theoretischen Anerkennung von Grundrechten auch für intergeschlechtliche Menschen – und der trotzdessen weitergeführten Pathologisierung und Behandlung von Variationen der Geschlechtsmerkmale.
Was sind die Forderungen von VIMÖ?
Wir haben die Forderungen der europäischen Intersex Organisation OII Europe mitformuliert und versuchen diese auf nationaler Ebene umzusetzen.
Das Hauptanliegen der Selbstvertretungsorganisationen sind der Stopp der nicht-konsensuellen kosmetischen und sterilisierenden Operationen und anderen medizinisch nicht notwendigen Interventionen an intergeschlechtlichen Menschen.
Weiters rufen wir zu einem positiven, nicht-pathologisierenden Umgang auf und fordern:
- den uneingeschränkten Zugang zu Bürger- und Menschenrechten für zwischengeschlechtliche Menschen
- ein höchstmöglichen Maß an Gesundheit und Information
- Anpassungen des Personenstands-, Namens-, Adoptions- und Eherecht etc.
- die Unterstützung von Selbsthilfe und Forschung
- die Entschädigung der Opfer geschlechtsverändernder Interventionen
Details finden sich in unserem Positionspapier – hier zum Download
Materialien
Es gibt mittlerweile eine enorme Fülle an Informationsmaterialien – unten eine kleine Auswahl.
Außerdem möchten wir auf Materialien unseres Dachverbands OII Europe in verschiedenen Sprachen hinweisen: https://oiieurope.org/library-en/publications/
Und gemeinsam mit der Plattform Intersex führen wir eine umfangreiche Medien- und Literaturliste unter http://www.plattform-intersex.at/?page_id=183