Österreich wird von UN-Ausschuss gegen Folter aufgefordert: Gesetzlicher Schutz von intergeschlechtlichen Kindern muss kommen
Linz – 10.05.2024
Am 10.5.2024 veröffentlichte der UN-Ausschuss gegen Folter (CAT) neue Empfehlungen an Österreich zum Schutz von intergeschlechtlichen Menschen. Im Punkt 42 und 43 seiner „Concluding Observations“ spricht sich das Gremium der Vereinten Nationen für eine gesetzliche Regelung aus, die gesundheitlich nicht notwendige Behandlungen an Kindern untersagt. Außerdem empfiehlt der Ausschuss, dass Betroffene solcher Behandlungen entschädigt werden und Beratungs- und Unterstützungsstrukturen geschaffen werden sollen. Diese Empfehlungen knüpfen an jene des CAT aus 2015 an, durch die Österreich ebenfalls aufgefordert wurde, den Schutz von intergeschlechtlichen Menschen vor schädlichen Eingriffen sicher zu stellen. Dies hat Österreich bis heute nicht umgesetzt!
VIMÖ hat im Rahmen des Verfahrens einen Alternativbericht an den UN-Ausschuss übermittelt, in dem die in Österreich gängigen Praktiken wissenschaftlich erfasst wurden. Der Bericht zeigt, dass es mehr als 1.000 Krankenhausentlassungen pro Jahr von Kindern und Jugendlichen mit Variationen der Geschlechtsmerkmale gibt und dass davon ausgegangen werden kann, dass viele Operationen durchgeführt wurden, die als IGM (Intersex Genital Mutilation) einstufbar sind. Bei der Anhörung am 17.4.2024 hat Österreich zugegeben, dass diese Operationen weiterhin stattfinden. Außerdem wurde auf gesetzliche Regelungen verwiesen, die Minderjährige vor solchen Eingriffen schützen sollten. „Das Problem der gesetzlichen Regelungen bis dato ist, dass Intergeschlechtlichkeit nicht darin berücksichtigt oder so wie im Strafrecht sogar ausgenommen ist. Sie sind daher nicht ausreichend, um intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche vor schädlichen Behandlungen zu schützen.“, so Magdalena Klein, Vize-Obmensch von VIMÖ.
Diese Einschätzung teilt auch die Volksanwaltschaft, die sich in ihrem Bericht an den CAT ebenso klar für ein Verbot von nicht-konsensuellen und gesundheitlich nicht notwendigen Eingriffen an den Geschlechtsmerkmalen von Kindern ausspricht. „Wir begrüßen die Unterstützung der Volksanwaltschaft und fordern die Regierung auf, sich endlich diesem Thema anzunehmen und entsprechende Maßnahmen zu verabschieden“, so Luan Pertl, Obmensch von VIMÖ Wien.
Die Presseaussendung auf der Seite der APA.
Aktueller Hinweis: Auch Ö1 berichtete im Mittagsjournal vom 25.05.2024 ab Minute 12:46 über die Empfehlungen des UN-Ausschusses
Die konkreten aktuellen Empfehlungen:
Aus den „Concluding observations on the seventh periodic report of Austria“:
Intersex persons
42. While appreciating the assurances provided by the delegation that surgical interventions on intersex children are carried out only when necessary, following medical and psychological opinions, the Committee is concerned about reports of cases of unnecessary and irreversible surgery and other medical treatment with lifelong consequences, including severe pain and suffering, to which intersex children have been subjected before they reach an age at which they are able to provide their free, prior and informed consent (arts. 2 and 16).[1]
43. The State party should:
(a) Consider adopting legislative provisions that explicitly prohibit the performance of non-urgent and non-essential medical or surgical treatment of intersex children before they are of sufficient age or maturity to make their own decisions and provide free, prior and informed consent;
(b) Ensure independent oversight of decision-making to ensure that medical treatments for children with intersex traits who are unable to consent are necessary and urgent and the least invasive option;
(c) Provide redress to victims of non-urgent and non-essential treatment, including appropriate compensation and rehabilitation, and ensure that all intersex children and adolescents and their families receive professional counselling services and psychological and social support.
[1] CRPD/C/AUT/CO/2-3, paras. 39-40; CRC/C/AUT/CO/5-6, para. 27; CEDAW/C/AUT/CO/9, paras. 34-35.
Das Dokument mit den Empfehlungen auf Seite 10 ist hier abrufbar.
Alle Dokumente im Rahmen der 79. UN-CAT Session: https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/treatybodyexternal/SessionDetails1.aspx?SessionID=2749&Lang=en