November 2020: Q&A „dritte Option“
Nach unserem Kommentar „Erlass zum dritten Geschlechtseintrag – ein Teilerfolg“ und der Veröffentlichung des Erlasses (Volltext), haben wir nun auch unsere „Question & Answers“ zum Thema überarbeitet:
Nach unserem Kommentar „Erlass zum dritten Geschlechtseintrag – ein Teilerfolg“ und der Veröffentlichung des Erlasses (Volltext), haben wir nun auch unsere „Question & Answers“ zum Thema überarbeitet:
„No Box For Me – An Intersex Story“
von Floriane Devigne
(Französisch mit deutschen Untertiteln, 58 Min, 2018)
Danach gibt’s die Möglichkeit zu einem (Film-)Gespräch mit VIMÖ und TransInterQueer!
Filmeschreibung:
M und Deborah sind wie 1,7% der Menschen intergeschlechtlich geboren – mit Geschlechtsmerkmalen, die anders sind als die binäre Vorstellung von weiblich und männlich. Manche dieser Variationen der Geschlechtsentwicklung sind bei der Geburt sichtbar, manche sind erst mit dem Eintreten der Pubertät ersichtlich. Wie viele Inter* wurden M und Deborah zu medizinisch nicht notwendigen Eingriffen gezwungen, um ihre Körper zu „normalisieren“, als sie noch Kinder waren und noch nicht wussten, was ihnen widerfährt. Der Film reflektiert wie intergeschlechtliche Menschen versuchen, sich ihre Körper und ihre Identitäten wieder anzueignen.
Anmeldung unter noah.rieser@vimoe.at, der Zugang zum Online-Screening (via Zoom) kommt dann kurz vor Beginn des Screenings per Mail.
Workshop mit Tinou Ponzer und Tobias Humer:
07.11.2020, 14:00 – 16:30
Neue Mittelschule Mauthausen
Kosten: 16€
Die Veranstaltung wurde auf ONLINE umgestellt – ohne Anmeldung & ohne Teilnahmegebühr!
Bei Interesse gern einfach ab 14:00 teilnehmen unter: https://us02web.zoom.us/j/89847386635?pwd=K3FPMzlYRnhsU1FnNXJKV1NaZExVUT09 (Achtung: neuer Link seit 7.11. / 11:10)
Die Grundrechte intergeschlechtlicher Menschen bzw. Kinder sind durch weiterhin durchgeführte nicht-konsensuelle und medizinisch nicht notwendige (vom UN-Komitee gegen Folter als unmenschlich bezeichnete) Behandlungen eingeschränkt. Selbstbestimmung über den eigenen Körper oder in der Wahl der Geschlechtsidentität sind vielfach nicht gegeben. Der dritte Geschlechtseintrag ist in Österreich mittlerweile theoretisch möglich, jedoch gibt es Probleme in einer angemessenen Umsetzung. Mehrere entsprechende medizinische Diagnosen (Varianten der Geschlechtsentwicklung / DSD) gelten überdies als möglicher Grund für späte Abtreibungen.
Geschlechtliche Vielfalt ist nichts Neues, körperliche Geschlechtsmerkmale waren immer schon individuell und oft auch mehrdeutig – der gesellschaftliche Umgang damit verändert sich aber kontinuierlich. In diesem Workshop werden Begriffe geklärt, Einblicke in Lebensrealitäten von intergeschlechtlichen Menschen gegeben und Möglichkeiten der Unterstützung aufgezeigt.
Mehr Informationen und Anmeldung: http://bewusstseinsregion.at/de/menschenrechtesymposium/menschenrechtesymposium-2020
Der Workshop findet auf deutscher Lautsprache statt.
Screening: „No Box for Me – An Intersex Story“!
In Linz:
29.10.2020 um 19 Uhr in der KAPU mit fem*goes@KAPU/ Kapuzinerstraße 36/ 4020 Linz
https://www.facebook.com/events/328735911757732
Immer bei freiem Eintritt und mit anschließendem Filmgespräch mit uns!
Die Screenings in Salzburg sind aufgrund der aktuellen Corone-Maßnahmen abgesagt!
22.10.2020 um 19 Uhr im Infoladen Salzburg / Lasserstraße 26/ 5020 Salzburg (abgesagt)
23.10.2020 um 19 Uhr im soli.cafe / Lasserstraße 30/ 5020 Salzburg – gemeinsam veranstaltet mit Queertopics der HOSI Salzburg (abgesagt)
https://www.facebook.com/events/2755814251355512
Hinweise zu Corona-Maßnahmen:
Infos zum Film:
„No Box for Me – An Intersex Story“ von Floriane Devigne
(Französisch + deutsche Untertitel, 58 Min, 2018)
Hier ist der Trailer: https://vimeo.com/ondemand/noboxforme/320751121
Filmbeschreibung:
M und Deborah sind wie 1,7% der Menschen intergeschlechtlich geboren – mit Geschlechtsmerkmalen, die anders sind als die binäre Vorstellung von weiblich und männlich. Manche dieser Variationen der Geschlechtsentwicklung sind bei der Geburt sichtbar, manche sind erst mit dem Eintreten der Pubertät ersichtlich. Wie viele Inter* wurden M und Deborah zu medizinisch nicht notwendigen Eingriffen gezwungen, um ihre Körper zu „normalisieren“, als sie noch Kinder waren und noch nicht wussten, was ihnen widerfährt. Der Film reflektiert wie intergeschlechtliche Menschen versuchen, sich ihre Körper und ihre Identitäten wieder anzueignen.
Nachdem wir viele Anfragen erhalten haben, wo der neue Erlass denn zu finden ist, haben wir das Dokument nun zugespielt bekommen – und möchten ihn hiermit auch jenen Menschen zugänglich machen, die von den Regelungen betroffen sind:
Da die Formulierungen wahrscheinlich noch die einen oder anderen Fragezeichen offenlassen, versuchen wir in unseren „Questions & Answers“ auf eventuelle Unklarheiten einzugehen!
Ganze sechs Eintragungsmöglichkeiten gibt es jetzt (weiblich, männlich, inter, divers, offen, sowie die Möglichkeit zur Streichung) – aber alle alternativen Einträge stehen nur jenen Menschen offen, die mit Gutachten eine körperliche „Variante der Geschlechtsentwicklung“ belegen können.
Glücklicherweise müssen die Gutachten nicht mehr von einem ominösen „VdG-Board“ erstellt werden und es genügen nunmehr auch bereits erstellte Gutachten aus der Vergangenheit, wodurch Retraumatisierungen vermieden werden können. Aber die Fixierung auf körperliche Geschlechtsmerkmale und deren Pathologisierung bleibt bestehen – nachdem die Grünen seit Jahren den Wunsch der Community nach Selbstbestimmung mittragen, gab es hier wohl Widerstand vom Koalitionspartner.
Zentrale Forderungen aus dem Offenen Brief an Innenminister Nehammer von mehr als 60 Organisationen im Juni müssen also weiter auf ihre Umsetzung warten.
“Die Änderung des Erlasses ist ein wichtiger Schritt für die Inter* Community. Leider werden intergeschlechtliche Menschen weiterhin pathologisiert und der Schritt zur Selbstbestimmung bleibt in weiter Ferne”, so Luan Pertl von der Plattform Intersex Österreich.
“Wir begrüßen, dass mit dem neuen Erlass nun teilweise keine weiteren medizinischen Begutachtungen mehr notwendig sein sollen. Gleichzeitig bleiben jedoch pathologisierende Diagnosen die Voraussetzung. Hier wurde eine große Chance vertan, allen Menschen, die sich in dem binären Geschlechterbild nicht wiederfinden, einen alternativen Geschlechtseintrag zu ermöglichen”, so Anton Wittmann von der HOSI Salzburg
“Einige Details erscheinen noch etwas unklar: Falls es für erwachsene inter* Personen mit diesem Erlass nur die Möglichkeit der „Berichtigung“ des Geschlechtseintrags geben soll, würde das bedeuten, dass sie den Antrag beim Geburtsstandesamt stellen müssen – das kann eine große Hürde sein! Außerdem steht es Eltern von intergeschlechtlichen Kindern nicht offen, auch einen „weiblichen“ oder „männlichen“ Eintrag für ihr Kind zu wählen – was den Druck auf „vereindeutigende“ Operationen erhöhen könnte”, so Tobias Humer von VIMÖ.
“In Österreich steht es Menschen, deren Geschlechtsmerkmale nicht in das starre Mann-Frau- Schema fallen, nun offen, zwischen sechs Möglichkeiten beim Geschlechtseintrag zu wählen. Das ist international einzigartig und ein unglaublicher Fortschritt für die Selbstbestimmung intergeschlechtlicher Menschen. Der nächste konsequente Schritt ist das gesetzliche Verbot geschlechtsverändernder medizinischer Maßnahmen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen”, so Gabriele Rothuber von der HOSI Salzburg
Sehr spontan hat VIMÖ noch einen Inter*Block am diesjährige CSD Salzburg gestartet – neben Graz die einzige Pride Parade 2020 in Österreich aufgrund von Covid19.
Zum Schluss bei den Reden gabs dann Salzburg-typisch leider Regen – aber die Ansprache von Magdalena Klein & Tobias Humer gibts hier zum nachsehen:
Alex Jürgen erhält endlich die Geburtsurkunde mit dem Geschlechtseintrag „inter“.
2016 ging Alex Jürgen zum Standesamt Steyr und beantragte eine Berichtigung des Geschlechtseintrags auf eine dritte Kategorie. Alex Jürgen ist intergeschlechtlich und wollte sich in den Identitäts-Dokumenten dementsprechend ausweisen können. Anschließend befassten sich mehrere Höchstgerichte innerhalb von 4 Jahren damit, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt und gaben Alex Jürgen Recht.
Trotzdem wurde lange der beschiedene dritte Geschlechtseintrag nicht berichtigt – im Juli 2020, kurz nach Einbringen einer Strafanzeige gegen die zuständigen Behörden, hält Alex Jürgen nun die Geburtsurkunde mit dem Eintrag „inter“ in Händen.
Es ist ein voller Sieg für mich persönlich – aber solange es den Eintrag nur gegen ein medizinisches Gutachten gibt, unmündige inter* Personen weiterhin operiert, behandelt und zwangsnormiert werden und so gut wie niemand weiss, was Intergeschlechtlichkeit wirklich ist, sehe ich noch genug wofür weiterhin gekämpft werden muss
Alex Jürgen
Wir gratulieren Alex Jürgen herzlich und hoffen dass das Innenministerium bald mit einer guten Neuregelung des Kickl-Erlasses nachzieht – wobei medizinische Begutachtungen unbedingt gestrichen werden müssen! Ein alternativer Geschlechtseintrag zu weiblich und männlich, der die individuelle Geschlechtsidentität einer Person anerkennt, ist nicht an körperlichen Merkmalen festzumachen!
Tinou Ponzer (VIMÖ)
Alex Jürgen hat stark dazu beigetragen, dass Geschlechtervielfalt und die Wichtigkeit von Selbstbestimmung in der Gesellschaft sichtbar werden. Es ist nun an der Zeit, dass nicht nur auf rechtlicher, sondern auch auf anderen Ebenen die Anerkennung von Geschlechtervielfalt erfolgt. Dafür braucht es eine umfassende Inklusion im Bildungssystem und endlich ein Verbot nicht notwendiger medizinischer Eingriffe, die Geschlechtsmerkmale von Kindern unwiederbringlich verändern und zweigeschlechtlich normieren.
Mart Enzendorfer (Plattform Intersex Österreich)
Medienberichten zufolge wird an einem neuen Erlass bereits gearbeitet. VIMÖ fordert weiterhin Selbstbestimmung über den eigenen Geschlechtseintrag: Offener Brief an Innenminister zum dritten Geschlechtseintrag
Links:
Presseaussendung VIMÖ:
Ganze 64 Organisationen – aus queeren, sozialen, sexualpädagogischen und anderen Bereichen – unterzeichneten den Offenen Brief an Innenminister Nehammer am 2.Juni, in dem er aufgefordert wird, den dritten Geschlechtseintrag neu zu regeln.
Gemeinsam fordern wir einen selbstbestimmten dritten Geschlechtseintrag!
Den Offenen Brief im gesamten Wortlaut und mit allen unterzeichnenden Unterstützer*innen findet ihr hier oder unter: http://www.hosi.or.at/2020/06/02/offener-brief/
Presseaussendungen dazu:
VIMÖ/HOSI Salzburg/Plattform Intersex: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200602_OTS0033/offener-brief-an-innenminister-nehammer-zum-3-geschlechtseintrag
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HOSI Wien: https://www.ots.at/…/hosi-wien-nehammer-setzt-schande-von-k…
Am 14. Mai 2020 hat die EU-Grundrechteagentur (FRA) die Ergebnisse der LGBTI-Studie von 2019 veröffentlicht. Mit 140 000 Befragten aus 30 Staaten handelt es sich um die größte jemals in der LGBTI- Community durchgeführte Erhebung. Erstmals wurden von der FRA dazu auch intergeschlechtliche Menschen befragt – über 1.500 inter* Personen haben teilgenommen!
Hier ein kleiner Auszug aus den Q&A zu inter*, die bereits in deutscher Übersetzung verfügbar sind:
„Intersexuelle Personen werden häufiger diskriminiert als alle anderen LGBTI-Gruppen, da beinahe zwei Drittel (62 %) im Jahr vor der Erhebung in mindestens einem Lebensbereich diskriminiert wurden.
Jede oder jeder Dritte betrachtet Mobbing und Gewalt als das größte Problem von intersexuellen Personen und knapp ein Drittel (29 %) gibt als Problem an, dass Intersexualität als Krankheit betrachtet wird.
Intersexuelle Personen erleben doppelt so häufig körperliche oder sexuell motivierte Angriffe aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung oder Geschlechtsidentität wie der Durchschnitt der LGBTI-Gruppe. 22 % der Befragten berichten von derartigen Angriffen, gegenüber 12 % der schwulen Männer und 10 % der lesbischen Frauen.
Viele intersexuelle Personen wiesen auf das Fehlen einer auf Kenntnis der Sachlage basierenden Zustimmung zur medizinischen Behandlung hin, der sie sich zu unterziehen hatten. 62 % gaben an, vor ihrem ersten chirurgischen Eingriff zur Veränderung ihrer Geschlechtsmerkmale keine auf Kenntnis der Sachlage basierende Zustimmung erteilt zu haben. Etwa die Hälfte erläuterte, dass keine auf Kenntnis der Sachlage basierende Zustimmung zu einer Hormonbehandlung oder einer anderen Form der medizinischen Behandlung erteilt worden war.
Die Situation intersexueller Personen ist auch beim Umgang mit der Bürokratie schwierig. Von den Befragten, die ihren Personenstand oder ihr Geschlecht in öffentlichen Dokumenten eintragen ließen, gaben 60 % an, dass sie übermäßig viele Dokumente oder medizinische Bescheinigungen vorlegen mussten, während 40% der Befragten berichteten, dass ihnen die Eintragung verweigert wurde oder sie von den Beamten verspottet oder belästigt wurden.“
Hier der Link zu den Ergebnissen der Studie, wo u.a. auch die gesammelten Daten selbständig über einen online-Datenexplorer durchsucht werden können: https://fra.europa.eu/en/news/2020/does-hope-or-fear-prevail-among-europes-lgbti-people
Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich