Dezember 2018: Innenministerium ordnet Gutachtenzwang beim Dritten Geschlechtseintrag an

Am 20.12.2018 hat das BMI einen Erlass zur behördlichen Umsetzung des dritten Geschlechtseintrages herausgegeben, weit weg vom Erkenntnis des VfGH (Verfassungsgerichtshof) vom 15. Juni 2018. Statt der im Erkenntnis zitierten Selbstbestimmung wird nun ein ärztliches Gutachten gefordert, nicht vom Arzt des Vertrauens, sondern von einem VdG-Board – einer medizinischen Instanz zu Varianten der Geschlechtsentwicklung, installiert vom Gesundheitsministerium.

Das ist ein gewaltvoller Schritt gegen intergeschlechtliche Personen: ein Akt, der erneut pathologisiert, phänomenisiert und retraumatisierend wirkt. Als Verein, der für die Menschenrechte intergeschlechtlicher Personen arbeitet, müssen wir das Innenministerium ganz klar auffordern, diesen Erlass zu überdenken.

Zum Weiterlesen unsere Presseaussendung:

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20181227_OTS0029/dritter-geschlechtseintrag-in-dokumenten-gutachtenzwang-statt-selbstbestimmung

Oktober 2018: VIMÖ Stellungnahme zur Umsetzung des dritten Geschlechtseintrags

Am 26.10. wird international der Intersex Awareness Day begangen – um die Sichtbarkeit von intergeschlechtlichen Menschen zu erhöhen und auf das Unrecht hinzuweisen, das ihnen widerfährt. Ein dritter Geschlechtseintrag in offiziellen Dokumenten soll dazu beitragen, ihre Rechte in Österreich anzuerkennen – jedoch wird das im Juni veröffentlichte VfGH-Erkenntnis dazu vom Innenministerium sehr restriktiv interpretiert. Es sollen z.B. nur jene Personen Anspruch auf die dritte Option haben, welche mit medizinischen Gutachten belegen können, dass bei ihnen eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt. VIMÖ ist damit unzufrieden und fordert Selbstbestimmung statt erneuter Pathologisierung!

Zum Weiterlesen:

Link zur OTS-Presseaussendung vom 24.10.

Link zur Stellungnahme von VIMÖ:

September 2018: „Frau. Mann. Und noch viel mehr“ – erste deutschsprachige Broschüre über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in leichter Sprache

Zum ersten Mal Ende 2017 veröffentlicht, gibt es diese tollen Aufklärungsbroschüre in leichter Sprache für Menschen mit Lernschwierigkeiten nun in der zweiten Auflage auch zum Download auf der Homepage https://undnochvielmehr.com/

Juni 2018: Sieg für Alex Jürgen*! Intersex-Aktivist erkämpft dritte Option

VfGH entscheidet: Nach einer Klage der intergeschlechtlichen Person Alex Jürgen* muss Österreich neben „männlich“ und „weiblich“ einen dritten Geschlechtseintrag schaffen.

Der Verfassungsgerichtshof gab heute bekannt, dass neben „weiblich“ und „männlich“ ein weiterer Geschlechtseintrag in persönlichen Dokumenten ermöglicht werden muss. Ein voller Erfolg für Alex Jürgen* und ein Sturm der Freude bei allen Menschen, denen mit diesem Entscheid endlich zu mehr Anerkennung, Sichtbarkeit und ihren Rechten verholfen wird! „Heute habe ich zum ersten Mal im Leben das Gefühl, als das anerkannt zu sein, was ich bin. So wie ich geboren wurde“, so Alex Jürgen* in einer ersten Reaktion.

Die Menschenrechtsinitiativen VIMÖ, Plattform Intersex Österreich und HOSI Salzburg gratulieren zu diesem Erfolg und nehmen sie mit freudiger Zuversicht auf. „Endlich kann niemand mehr verleugnen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Vielfalt ist die Norm und die Existenz von geschlechtlicher Vielfalt darf nicht länger problematisiert und pathologisiert werden! Dank dem Mut von Alex Jürgen*, einen richtigen Eintrag einzufordern, muss sich das gesamte Rechtssystem mit der Frage der rechtlichen Gleichstellung und dem Schutz aller Geschlechter auseinandersetzen“, so Tinou Ponzer von VIMÖ.

„Das Wichtigste ist, dass nun eine Option geschaffen wird, die keine Zwangsoption ist, sondern auf Freiwilligkeit und Selbstbestimmung beruht“, betonen Tobias Humer Obmensch von VIMÖ und Luan Pertl Obmensch von VIMÖ Zweigverein Wien. „Bürokratische Hürden zur Änderung des persönlichen Geschlechtseintrags, sei es in der Geburtsurkunde oder in anderen Identitäts-Dokumenten wie dem Reisepass, müssen abgebaut werden. In der Umsetzung des dritten Personenstands wünschen wir uns eine Option wie ‚Inter/Divers‘, welche keinesfalls auf medizinischen Diagnosen beruhen darf. Wir fordern Selbstbestimmung statt Pathologisierung!“

Weiterlesen: gemeinsame Presseaussendung von VIMÖ, Plattform Intersex Österreich und HOSI Salzburg

März 2018: Danke Alex Jürgen*

2006 saßen wir gebannt im Kino: das erste Mal sahen Hunderttausende von Menschen in Österreich, was es bedeutet inter* zu sein, und zwar wurde nicht über jemanden berichtet, sondern mit jemandem – wir sahen Alex Jürgen*.

Alex hat in „Tintenfischalarm“ von Elisabeth Scharang eines gemacht, was sich bis dahin in der Form niemand getraut hatte hierzulande: öffentlich über die eigene Intergeschlechtlichkeit zu reden. Und über alles, was damit zu tun hat – Geheimnisse, Verletzungen, Isolation… und den Platz, den man in der Gesellschaft nicht bekommt, wenn der eigene Körper sich nicht entwickelt, wie er „sollte“.

Alex, du hast das Tabu gebrochen. Du hast deine persönliche Geschichte erzählt – und auch erstmals anschaulich gemacht, dass wir existieren, dass wir glücklich, selbstbestimmt und unversehrt aufwachsen können müssen. Dass dies ermöglicht und jegliche Menschenrechtsverletzungen gestoppt werden müssen. Der Inter*Aktivismus in Österreich war mit deinem Mut geboren!

Seitdem hast du viel Aufklärung betrieben, stets mit viel Humor und schonungsloser Direktheit – in zahlreichen Buchbeiträgen, künstlerischen und wissenschaftlichen Arbeiten, Vorträgen, Radiosendungen, Zeitungsartikel, TV-Beiträgen, Publikumsgesprächen, auf deiner Homepage und Social Media-Kanälen und anderen öffentlichen Auftritten. Auch die wertvolle Arbeit im Hintergrund muss erwähnt werden: du warst die erste und lange einzige offen lebende inter* Person, die für andere Ansprechperson wurde, du hast die erste Selbsthilfestruktur aufgebaut, die wichtigste Unterstützung, um miteinander in Kontakt zu kommen und mit Menschen sprechen zu können, die genau wissen, wie es ist…

Ohne dich gäbe es auch nicht VIMÖ, den Verein, den du 2014 mitbegründet hast und der in Österreich mittlerweile nicht mehr weg zu denken ist.

Seit 2015 erweiterst du sogar noch die ersten Male: dein juristischer Kampf um einen alternativen Geschlechtseintrag bzw. die Streichung dessen in deinen Dokumenten wird in die Geschichte eingehen! Ein positiver Ausgang würde dir endlich Anerkennung geben und so vielen anderen ermöglichen, was bisher nicht möglich war. Wir wünschen dir ganz viel Glück dabei und blicken gespannt die Entscheidung, die bald gefällt werden soll.

Nun, 2018, nach über 12 Jahren Öffentlichkeit und Engagement wird es Zeit für dich, dich zurück zu nehmen, dich auf dein Leben abseits von VIMÖ und Aktivismus zu konzentrieren, deinen eigenen Weg weiter zu gehen.

Wir sind dir unendlich dankbar für alles, was du bereits geschafft hast, für uns alle und für dich. Du hast uns vorgemacht, wie es auch gehen kann, in einer Welt, in der wir schweigend damit leben sollen, was uns angetan wurde und wird. Deine Sichtbarkeit ist für immer Wunde und Balsam zugleich.

Hiermit möchten wir dich – ganz im Sinne der ersten Male – zum ersten Ehrenmitglied bei VIMÖ ernennen, um unsere Dankbarkeit und den gemeinsamen Weg bis hierher zu zeigen!

Alles Gute, Herm Alex Jürgen*!

Anmerkung:
Da Alex Jürgen* somit kein aktives Mitglied mehr sein wird, bitten wir darum, Anfragen, die persönlich für Alex Jürgen* sind, direkt an herm zu richten:

www.alexjuergen.at (Kontaktformular auf der Homepage)

November 2017: Deutscher Verfassungsgericht entscheidet für eine dritte Option!

Das Bundesverfassungsgericht hat am 10.10.2017 entschieden, dass die momentane Regelung zum Geschlechtseintrag verfassungswidrig ist. Laut dieser Entscheidung darf entweder gar kein Geschlechtseintrag vorgeschrieben werden oder es muss eine dritte Option geschaffen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber dazu angewiesen, das Personenstandsrecht bis zum 31.12.2018 entsprechend zu ändern.

Mehr dazu unter: http://dritte-option.de/

November 2017: Veröffentlichung der deutschsprachigen OII Europe Info-Broschüre

Gemeinsam mit OII Europe, OII Deutschland und ILGA Europe veröffentlicht VIMÖ die deutsche Übersetzung vom „Toolkit“ zum Thema Intergeschlechtlichkeit: „Die Menschenrechte Intergeschlechtlicher schützen – Wie können Sie helfen“ informiert euch wie ihr solidarisch als engagierte Einzelpersonen, Gruppe und/oder Organisation, inter* Personen unterstützen könnt!

Toolkit Deutsch

Oktober 2017: Veröffentlichung der Resolution des Europarat-Parlaments

Eindeutige Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten kommen erneut aus dem Europarat – diesmal die erste Resolution zum Thema Intergeschlechtlichkeit von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, welche dort mit großer Mehrheit beschlossen wurde:

2017-10 Intersex Resolution CoE Parliamentary Assembly

April 2017: Intersex Conference Vienna

Vielen Dank an alle Unterstützer*innen und alle, die dabei waren – die Konferenz war ein voller Erfolg!

Alle Vorträge wurden von oktoTV aufgezeichnet (die Videos finden Sie hier auf YouTube), die Podiumsdiskussion finden Sie hier und einen detaillierten Bericht über die Tagung gibts