Mai 2022: Pride Monat beginnt, Umsetzung alternativer Geschlechtseinträge immer noch mangelhaft. VIMÖ fordert rasche, konsequente Regelung!

Vier Jahre nach der rechtlichen Anerkennung durch den VfGH fehlen der selbstbestimmte Zugang und die umfassende Umsetzung der alternativen Einträge zu „weiblich“ und „männlich“

Wien/Linz, 31.05.2022

Menschen, die sich nicht als Frauen oder Männer identifizieren, haben im Juni 2018 durch den Österreichischen Verfassungsgerichtshof anerkannt bekommen, dass sie die Möglichkeit auf einen entsprechenden Geschlechtseintrag haben müssen. Dies war ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung und Sichtbarkeit intergeschlechtlicher Menschen.

Der Erlass des Innenministeriums von 2020 bereitet aber weiterhin Schwierigkeiten, so dass vielen Menschen der für sie richtige Personenstand verwehrt bleibt. Denn Anspruch auf „inter“, „offen“, „divers“ und „kein Eintrag/Streichung“ und entsprechendem „X“ im Pass haben demnach nur jene Personen, die mit fachärztlichen Gutachten eine „Variante der Geschlechtsentwicklung (VdG)“ belegen können. Es bleibt also die unzumutbare Situation, dass Menschen sich diagnostizieren, medizinisch untersuchen und ihre körperlichen Geschlechtsmerkmale pathologisieren lassen müssen, um einen der alternativen Geschlechtseinträge in den persönlichen Dokumenten führen zu können.

Ebenso gibt es massive Probleme mit der Umsetzung in der Verwaltung. Das führt dazu, dass Personen mit alternativem Geschlechtseintrag regelmäßig bürokratische Hürden erfahren und falsch in den Datenbanken geführt werden. Das betrifft öffentliche, staatsnahe sowie private Einrichtungen und Unternehmen. Dazu kommt meist die fehlende geschlechtsneutrale Anrede in der persönlichen, digitalen und schriftlichen Kommunikation. Obwohl die richtige Handhabung der persönlichen Daten einer jeden Person ein grundrechtliches Erfordernis darstellt, sind Menschen mit alternativem Geschlechtseintrag in Österreich derzeit dem „Good Will“ von Institutionen ausgesetzt und kämpfen mitunter alltäglich damit, ihrem Personenstand und Namensrecht entsprechend richtig erfasst, behandelt und angesprochen zu werden.

Aufgrund dieser täglichen Diskriminierung fordert VIMÖ in seiner aktuellen Stellungnahme „Selbstbestimmter Zugang und umfassende Umsetzung alternativer Geschlechtseinträge für trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen“ eine rasche und konsequente Umsetzung in sämtlichen Verwaltungsebenen und eine entsprechende Anwendung geschlechtsneutraler Anrede und Kommunikation in allen öffentlichen Institutionen! Weiterhin fordert VIMÖ als Interessenvertretung den selbstbestimmten Zugang zu alternativen Geschlechtseinträgen für alle ohne Gutachten und Pathologisierung – so wie wir es schon 2021 in einem gemeinsamen Offenen Brief mit TransX, Aids Hilfe Wien, HOSI Wien und über 50 Organisationen und Unterstützenden gefordert haben! Es braucht jetzt eine klare Regelung!

Hier zu der Stellungnahme „Selbstbestimmter Zugang und umfassende Umsetzung alternativer Geschlechtseinträge für trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen“.

Der Offene Brief an die Regierung von 2021: https://www.transx.at/Dokumente/Offener%20Brief%202021.05.pdf

Ein aktueller Ö1-Radiokolleg-Beitrag zum Thema vom 31.5.2022 : https://oe1.orf.at/player/20220531/679572

Die Pressemitteilung ist auch hier zu finden: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220531_OTS0168/pride-monat-beginnt-umsetzung-alternativer-geschlechtseintraege-immer-noch-mangelhaft-vimoe-fordert-rasche-konsequente-regelung

Mai 2022: „Inter*Pride“ statt Interphobie!

Buch-Neuerscheinung „Inter*Pride – Perspektiven aus einer weltweiten Menschenrechtsbewegung“ porträtiert die Inter*-Menschenrechtsbewegung

Wien/Linz, 17.05.2022

Anlässlich des Internationalen Tags gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie stellt VIMÖ den neuen Sammelband „Inter*Pride – Perspektiven aus einer weltweiten Menschenrechtsbewegung“ vor – herausgegeben von Paul Haller, Luan Pertl und Tinou Ponzer.

Weltweit setzen sich Inter*-Aktivist*innen für die Rechte, Sichtbarkeit und Selbstbestimmung von intergeschlechtlichen Menschen ein. Der Sammelband „Inter* Pride“ gibt Einblicke in diese junge internationale Menschenrechtsbewegung. Er verbindet fachliche und aktivistische Texte, Interviews und biografische sowie künstlerische Beiträge von Autor*innen und Interviewpartner*innen u.a. aus Argentinien, Australien, Deutschland, Großbritannien, Kroatien, Mexiko, den Niederlanden, Nigeria, Österreich, Schweden, der Schweiz, Taiwan und den USA.

„Inter* Pride ist die Antwort des Herausgabe-Kollektivs auf die Beschämung, Normierung und Gewalt, die intergeschlechtliche Menschen tagtäglich auf der ganzen Welt erfahren“, so in der Beschreibung zum Buch, das im Verlag w_orten & meer erschienen ist.

Im Mai und Juni wird es mehrere Buchpräsentationen geben: am 28.5. online, am 3.6. und 7.6. in Wien, am 8.6. in Salzburg und am 24.6. in Linz – gemeinsam mit Kooperationspartner*innen wie Hauptbücherei Wien, Vienna Pride, Buchhandlung Löwenherz, Stadt Salzburg, Fachstelle Selbstbewusst, Plattform Menschenrechte Salzburg und Stadtwerkstatt Linz.

„Inter*Pride – Perspektiven aus einer weltweiten Menschenrechtsbewegung“ ist ein Projekt des Vereins Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ), der Plattform Intersex Österreich und der HOSI Salzburg.

Mehr Infos zu den Buchpräsentationen: https://vimoe.at/termine/

Mehr Infos zum Buch: https://wortenundmeer.net/product/interpride/

 

Die vollständige Pressemitteilung kann hier als PDF herunter geladen werden:
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220517_OTS0037/interpride-statt-interphobie

Oktober 2021: Österreich und 51 weitere Staaten fordern Schutz von intergeschlechtlichen Menschen in UN-Menschenrechtsrat

Nachdem im Jahr 2020 noch 37 Staaten die Initiative unterstützt haben, sind es im diesjährigen Menschenrechtsrat bereits 52 Staaten. Gefordert werden konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von schädlichen Praktiken, Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsmerkmalen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Die österreichische UN-Botschafterin Elisabeth Tichy-Fisslberger hat die Botschaft am 4. Oktober im UN-Menschenrechtsrat verkündet.

Nach einem ersten öffentlichen Bekenntnis Österreichs zum gesetzlichen Schutz intergeschlechtlicher Kinder im Rahmen des UN-UPR im Jänner 2021 und dem Entschließungsantrag des österreichischen Parlaments zum Schutz intergeschlechtlicher Kinder vor nicht-konsensuellen und medizinisch nicht notwendigen Maßnahmen vom Juni 2021 ist dies ein weiteres positives Zeichen. VIMÖ und die Plattform Intersex Österreich hoffen nun, dass den Worten Taten folgen.

„Wichtig ist die baldige und klare Umsetzung eines Verbots nicht-konsensueller und medizinisch nicht notwendiger Behandlungen an Kindern und Jugendlichen sowie  begleitende psychosoziale Angebote und weitere Maßnahmen“, so Tobias Humer, Obmensch von VIMÖ.

„Es freut mich sehr, dass immer mehr Staaten die Forderungen von weltweiten Interessensvertretungen unterstützen und ich hoffe auf die zügige Umsetzung eines Gesetzes welche diese schädlichen Praktiken, die Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsmerkmalen verbieten“, so Luan Pertl von der Plattform Intersex Österreich

Rede der Vertretung Österreichs: https://www.bmeia.gv.at/oev-genf/speeches/alle/2021/10/united-nations-human-rights-council-48th-session-joint-statement-on-the-human-rights-of-intersex-persons/

Videobotschaft Botschafterin Elisabeth Tichy-Fisslberger: https://media.un.org/en/asset/k16/k16ltt1dku (Min. 21:30)

Presseaussendung OII Europe zum Thema: https://oiieurope.org/51-states-call-to-protect-the-human-rights-of-intersex-people-at-the-united-nations/

Positionspapier VIMÖ-PIÖ 2020: https://vimoe.at/wp-content/uploads/2020/05/2020_Positionspapier

Link zur Presseaussendung von VIMÖ: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20211014_OTS0032/oesterreich-und-51-weitere-staaten-fordern-schutz-von-intergeschlechtlichen-menschen-in-un-menschenrechtsrat

 

Juni 2021: Parlament fordert Regierung auf, intergeschlechtliche Kinder zu schützen!

Im heutigen Gleichbehandlungsausschuss haben die Parlamentsparteien einstimmig einen Entschließungsantrag zum Schutz intergeschlechtlicher Kinder vor nicht-konsensuellen und medizinisch nicht notwendigen Behandlungen beschlossen.

Danke an Ewa Ernst-Dziedzic und Nico Marchetti und alle die mitgeholfen und unterstützt haben!!!

Wir freuen uns sehr über den einstimmigen Beschluss und hoffen auf eine möglichst rasche und gute Umsetzung durch Justizministerin Alma Zadić sowie durch Gesundheits- und Sozialminister Wolfgang Mückstein.

Presse-Text von VIMÖ (inkl. Link zum Antragstext) siehe unten bzw. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210609_OTS0155/parlament-fordert-regierung-auf-intergeschlechtliche-kinder-wirksam-vor-nicht-konsensuellen-eingriffen-zu-schuetzen


weitere Presseaussendungen:

HOSI Salzburg (Presseaussendung): https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210609_OTS0130/hosi-salzburg-genitalverstuemmelung-an-intergeschlechtlichen-menschen-stoppen

Grüner Klub (Presseaussendung): https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210609_OTS0048/ernst-dziedzic-genitalverstuemmelung-an-intergeschlechtlichen-kindern-soll-verboten-werden

SPÖ-Klub (Presseaussendung): https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210609_OTS0170/lindnerholzleitner-spoe-druck-hat-gewirkt-entschliessung-zum-operationsverbot-an-intergeschlechtlichen-kindern-ist-erster-schritt

ÖVP-Klub (Presseaussendung): https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210609_OTS0169/pfurtscheller-wir-nehmen-fuer-den-gewaltschutz-viel-geld-in-die-hand


Medien-Artikel:

DerStandard (Artikel von Beate Hausbichler): https://www.derstandard.at/story/2000127251636/intersexualitaet-entschliessungsantrag-fuer-verbot-vonintersex-genital-verstuemmelung

GGG.at (Artikel von Herwig Hakan Mader): https://www.ggg.at/2021/06/09/nationalrat-fordert-ende-medizinisch-unnoetiger-operationen-an-intergeschlechtlichen-kindern/

 


Linz/Wien (OTS) – Der Stopp nicht-konsensueller und medizinisch unnötiger Behandlungen ist unsere dringendste Forderung als Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ). Gemeinsam mit den Verbündeten von der Plattform Intersex Österreich und der HOSI Salzburg fordern wir dies seit 2013.

Nach einem ersten öffentlichen Bekenntnis Österreichs zum Schutz intergeschlechtlicher Kinder im Rahmen des UN-UPR im Jänner 2021 (s.u.) ist der aktuelle Entschließungsantrag ein bedeutender Schritt. Wir freuen uns sehr über den einstimmigen Beschluss und hoffen auf eine möglichst rasche und gute Umsetzung durch Justizministerin Alma Zadić sowie durch Gesundheits- und Sozialminister Wolfgang Mückstein.

„Wichtig ist eine klare rechtliche Umsetzung und begleitende Maßnahmen in Zusammenarbeit mit VIMÖ als menschenrechtsbasierter Selbstvertretung und Peer-Beratungsorganisation – um unglückliche Entwicklungen wie beispielsweise in Deutschland zu vermeiden. Dort wurde kürzlich ebenfalls ein Gesetz zum Verbot solcher Behandlungen beschlossen, dessen Wortlaut und Umsetzung aber leider zu wünschen übrig lassen“, so Tobias Humer, Obmensch von VIMÖ.

„Österreich wurde bereits mehrfach vom Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen und vom UN-Folterausschuss für die Versäumnisse beim Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen gerügt. Der heutige Entschließungsantrag ist ein wichtiger Schritt, ein entsprechendes Gesetz muss folgen“, so Luan Pertl von VIMÖ

„Um den Schutz der körperlichen Integrität und Selbstbestimmung von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen bestmöglich zu gewährleisten, braucht es klare gesetzliche Regelungen. Ich freue mich über das Bekenntnis der Regierungsparteien, rechtliche Schritte müssen folgen“, so Eva Matt, Obmensch der Plattform Intersex Österreich

Entschließungsantrag: parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_01594/imfname_971331.pdf

Mehr Infos zu UN-UPR 2021: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210128_OTS0017/

Positionspapier VIMÖ-PIÖ 2020: vimoe.proserver1.at/index.php/s/CErNT5w7kt7pAzC

 

Rückfragehinweis:

Tinou Ponzer (VIMÖ) +43 732 28700210, tinou.ponzer@vimoe.at

Jänner 2021: UN-UPR

UN-Staaten fordern Wahrung von LGBTIQ Menschenrechten, Österreich nimmt Empfehlung zu IGM-Verbot an

Aktuelle LGBTIQ-Empfehlungen in UPR: unnötige Behandlungen an intergeschlechtlichen Menschen beenden, Geschlechtseinträge für alle öffnen und Antidiskriminierungsrecht harmonisieren.

Wien, Linz, Salzburg (OTS) – Am 22. Jänner wurde Österreich im Rahmen der UN Universal Periodic Review einer Prüfung der Menschenrechtssituation unterzogen. Am 26. Jänner gab es erste Reaktionen Österreichs auf die ausgesprochenen Empfehlungen (siehe unten).

Angenommen wurden die Empfehlungen von Argentinien, Island, Malta und Uruguay zum Beenden nicht-konsensueller & medizinisch nicht notwendiger Behandlungen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen. Analog zu „FGM“ (female genital mutilation) wird hier auch von IGM (intersex genital mutilation) gesprochen. Diese Praxis, deren Zweck es ist, Geschlechtsmerkmale an eine binäre Norm anzugleichen, wird in Österreich trotz langjähriger Problematisierung bisher weiter durchgeführt. Die Annahme dieser Empfehlungen ist ein klares Versprechen – wobei die Umsetzung gut durchdacht und in Kooperation mit menschenrechtsbasierten Selbstvertreter*innen/ Selbstvertretungsorganisationen abgestimmt sein muss.

„Dass nicht-konsensuelle und nicht-notwendige medizinische Behandlungen nun verboten werden sollen, ist sehr erfreulich – allerdings werden wir sehr genau hinsehen müssen, was hier tatsächlich umgesetzt wird!“ so Tobias Humer von VIMÖ.

Auch Gabriele Rothuber von der Plattform Intersex / HOSI Salzburg zeigt sich erfreut: „Wir freuen uns, dass es in Österreich in Zukunft nicht mehr die Entscheidung der Medizin oder Eltern sein darf, nicht konsensuelle und rein kosmetische, medizinisch nicht notwendige Genitalveränderungen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen durchzuführen. Seinen Körper zu verändern darf ausschließlich der betroffene Mensch selbst entscheiden!“

Abgelehnt wurde die Empfehlung, einen selbstbestimmten, barrierefreien Zugang zu alternativen Geschlechtseinträgen für alle Menschen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität zu schaffen. Österreich positioniert sich hier klar in Richtung weiterer Pathologisierung von Intergeschlechtlichkeit und gegen die Öffnung von alternativen Geschlechtseinträgen für nicht-intergeschlechtliche Menschen.

„Die Ablehnung einer Öffnung der alternativen Geschlechtseinträge für alle Menschen zeigt leider, dass es noch an grundlegendem Verständnis mangelt – und der Weg zur rechtlichen Anerkennung von intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen gerade erst begonnen hat.“ stellt Luan Pertl von der Plattform Intersex/VIMÖ fest.

Ebenso abgelehnt wurde die bereits wiederholt empfohlene und dringend notwendige Harmonisierung und Ausweitung der nationalen und regionalen Antidiskriminierungsregelungen („Levelling Up“).

VIMÖ, HOSI Salzburg und die Plattform Intersex Österreich fordern die Regierung auf, die Menschenrechte von LGBTIQ Personen umfassend zu respektieren und entsprechend zu handeln!

 

Link zur Presseaussendung auf APA-OTS: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210128_OTS0017/un-staaten-fordern-wahrung-von-lgbtiq-menschenrechten-oesterreich-nimmt-empfehlung-zu-igm-verbot-an

Gesammelte UPR-Dokumenten zu Österreich: https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/UPR/Pages/ATindex.aspx (Der Bericht zur aktuellen Working Group Session ist noch im Entwurfstadium, wird in Kürze ebenfalls dort aufscheinen)

Video inkl. den Empfehlungen der einzelnen Staaten: http://webtv.un.org/search/austria-review-37th-session-of-universal-periodic-review/6225216250001/


Kurzinfo UPR:

Etwa alle fünf Jahre wird jeder UN-Mitgliedsstaat einer Prüfung der Menschenrechtssituation unterzogen – für Österreich ist dies seit Einführung des Universal Periodic Review Mechanismus 2006 nun das dritte Mal. Im Rahmen der Sitzung am 22. Jännger wurden die bisherigen menschenrechtlichen Entwicklungen Österreichs von den teilnehmenden Staaten kommentiert und Empfehlungen ausgesprochen. Diese Empfehlungen betreffen diverse Themengebiete – und es wurden auch 11 Empfehlungen bezüglich LGBTIQ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersex, Queer) ausgesprochen. 5 davon wurden angenommen, 6 abgelehnt.

Alle LGBTIQ-Empfehlungen im Wortlaut (Auszug aus dem Berichtsentwurf vom 26.1.2021):

6. The recommendations formulated during the interactive dialogue/listed below have been examined by Austria and enjoy the support of Austria:

6.128       Strengthen the legislative framework to expressly prohibit any practice that modifies a person’s sexual characteristics without well-founded medical reasons or without the full consent of that person (Uruguay);

6.129       Ensure free and timely access to appropriate health-care for all, including LGBTI+ persons, children and adolescents where the young person has sufficient maturity to provide informed consent (Iceland);

6.130       End harmful practices, including forced and coercive medical interventions, to ensure the bodily integrity of children with intersex variations (Iceland);

6.131       Prohibit any practice that modifies a person’s sex characteristics without irrefutable medical reasons and the full and informed consent of the person affected (Malta);

6.132       Ensure that the human rights of intersex persons are respected, by developing a medical care protocol ensuring their participation in decision-making on medical interventions that affect them (Argentina);

8. The recommendations formulated during the interactive dialogue/listed below have been examined by Austria and have been noted by Austria:

8.31        Continue to harmonise the national legislation against discrimination in order to ensure protection from all forms of discrimination, including on the basis of age, religion and belief, as well as sexual orientation and gender identity (Croatia);

8.32        Harmonize at all levels anti-discrimination legislation to protect all persons regardless of age, religion or belief, sexual orientation and gender identity (Denmark);

8.39        Ensure equal protection from all forms of discrimination, including by harmonizing and strengthening the scope of anti-discrimination laws in particular with respect to religion and belief and sexual orientation and gender identity (Netherlands);

8.42        Guarantee the recognition, protection and defense of minorities’ rights in the country, as well as adopt legislation against discrimination on the basis of religion, age, disability, sexual orientation and gender identity (Costa Rica);

8.43        Accept a comprehensive strategy to eliminate all kinds of discrimination on the basis of religion and belief, age, sexual orientation and gender identity (Democratic People’s Republic of Korea);

8.45        Work towards guaranteeing access to legal gender recognition for intersex, transgender and non-binary people to all six current existing options of gender markers, without any barriers, based on self-identification (Malta);

 

Oktober 2020: Erlass zum Geschlechtseintrag -Volltext

Nachdem wir viele Anfragen erhalten haben, wo der neue Erlass denn zu finden ist, haben wir das Dokument nun zugespielt bekommen – und möchten ihn hiermit auch jenen Menschen zugänglich machen, die von den Regelungen betroffen sind:

Da die Formulierungen wahrscheinlich noch die einen oder anderen Fragezeichen offenlassen, versuchen wir in unseren „Questions & Answers“ auf eventuelle Unklarheiten einzugehen!

September 2020: Neuer Erlass zum dritten Geschlechtseintrag – Ein Teilerfolg

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200910_OTS0011/neuer-erlass-zum-dritten-geschlechtseintrag-ein-teilerfolg

Mit 6 Eintragsmöglichkeiten für die Kategorie Geschlecht ein internationales Novum, leider aber nur wenige der Forderungen aus der Community umgesetzt.

Ganze sechs Eintragungsmöglichkeiten gibt es jetzt (weiblich, männlich, inter, divers, offen, sowie die Möglichkeit zur Streichung) – aber alle alternativen Einträge stehen nur jenen Menschen offen, die mit Gutachten eine körperliche „Variante der Geschlechtsentwicklung“ belegen können.

Glücklicherweise müssen die Gutachten nicht mehr von einem ominösen „VdG-Board“ erstellt werden und es genügen nunmehr auch bereits erstellte Gutachten aus der Vergangenheit, wodurch Retraumatisierungen vermieden werden können. Aber die Fixierung auf körperliche Geschlechtsmerkmale und deren Pathologisierung bleibt bestehen – nachdem die Grünen seit Jahren den Wunsch der Community nach Selbstbestimmung mittragen, gab es hier wohl Widerstand vom Koalitionspartner.

Zentrale Forderungen aus dem Offenen Brief an Innenminister Nehammer von mehr als 60 Organisationen im Juni müssen also weiter auf ihre Umsetzung warten.

 

Die Änderung des Erlasses ist ein wichtiger Schritt für die Inter* Community. Leider werden intergeschlechtliche Menschen weiterhin pathologisiert und der Schritt zur Selbstbestimmung bleibt in weiter Ferne”, so Luan Pertl von der Plattform Intersex Österreich.

Wir begrüßen, dass mit dem neuen Erlass nun teilweise keine weiteren medizinischen Begutachtungen mehr notwendig sein sollen. Gleichzeitig bleiben jedoch pathologisierende Diagnosen die Voraussetzung. Hier wurde eine große Chance vertan, allen Menschen, die sich in dem binären Geschlechterbild nicht wiederfinden, einen alternativen Geschlechtseintrag zu ermöglichen”, so Anton Wittmann von der HOSI Salzburg

Einige Details erscheinen noch etwas unklar: Falls es für erwachsene inter* Personen mit diesem Erlass nur die Möglichkeit der „Berichtigung“ des Geschlechtseintrags geben soll, würde das bedeuten, dass sie den Antrag beim Geburtsstandesamt stellen müssen – das kann eine große Hürde sein! Außerdem steht es Eltern von intergeschlechtlichen Kindern nicht offen, auch einen „weiblichen“ oder „männlichen“ Eintrag für ihr Kind zu wählen – was den Druck auf „vereindeutigende“ Operationen erhöhen könnte”, so Tobias Humer von VIMÖ.

In Österreich steht es Menschen, deren Geschlechtsmerkmale nicht in das starre Mann-Frau- Schema fallen, nun offen, zwischen sechs Möglichkeiten beim Geschlechtseintrag zu wählen. Das ist international einzigartig und ein unglaublicher Fortschritt für die Selbstbestimmung intergeschlechtlicher Menschen. Der nächste konsequente Schritt ist das gesetzliche Verbot geschlechtsverändernder medizinischer Maßnahmen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen”, so Gabriele Rothuber von der HOSI Salzburg

Juli 2020: Erstmals Geschlechtseintrag „inter“ in Österreich!

Alex Jürgen erhält endlich die Geburtsurkunde mit dem Geschlechtseintrag „inter“.

2016 ging Alex Jürgen zum Standesamt Steyr und beantragte eine Berichtigung des Geschlechtseintrags auf eine dritte Kategorie. Alex Jürgen ist intergeschlechtlich und wollte sich in den Identitäts-Dokumenten dementsprechend ausweisen können. Anschließend befassten sich mehrere Höchstgerichte innerhalb von 4 Jahren damit, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt und gaben Alex Jürgen Recht.

Trotzdem wurde lange der beschiedene dritte Geschlechtseintrag nicht berichtigt – im Juli 2020, kurz nach Einbringen einer Strafanzeige gegen die zuständigen Behörden, hält Alex Jürgen nun die Geburtsurkunde mit dem Eintrag „inter“ in Händen.

Es ist ein voller Sieg für mich persönlich – aber solange es den Eintrag nur gegen ein medizinisches Gutachten gibt, unmündige inter* Personen weiterhin operiert, behandelt und zwangsnormiert werden und so gut wie niemand weiss, was Intergeschlechtlichkeit wirklich ist, sehe ich noch genug wofür weiterhin gekämpft werden muss

Wir gratulieren Alex Jürgen herzlich und hoffen dass das Innenministerium bald mit einer guten Neuregelung des Kickl-Erlasses nachzieht – wobei medizinische Begutachtungen unbedingt gestrichen werden müssen! Ein alternativer Geschlechtseintrag zu weiblich und männlich, der die individuelle Geschlechtsidentität einer Person anerkennt, ist nicht an körperlichen Merkmalen festzumachen!

Alex Jürgen hat stark dazu beigetragen, dass Geschlechtervielfalt und die Wichtigkeit von Selbstbestimmung in der Gesellschaft sichtbar werden. Es ist nun an der Zeit, dass nicht nur auf rechtlicher, sondern auch auf anderen Ebenen die Anerkennung von Geschlechtervielfalt erfolgt. Dafür braucht es eine umfassende Inklusion im Bildungssystem und endlich ein Verbot nicht notwendiger medizinischer Eingriffe, die Geschlechtsmerkmale von Kindern unwiederbringlich verändern und zweigeschlechtlich normieren.

Medienberichten zufolge wird an einem neuen Erlass bereits gearbeitet.  VIMÖ fordert weiterhin Selbstbestimmung über den eigenen Geschlechtseintrag: Offener Brief an Innenminister zum dritten Geschlechtseintrag 

 

Links:

Presseaussendung VIMÖ:

Juni 2020: Offener Brief an Innenminister zum 3. Geschlechtseintrag

Ganze 64 Organisationen – aus queeren, sozialen, sexualpädagogischen und anderen Bereichen – unterzeichneten den Offenen Brief an Innenminister Nehammer am 2.Juni, in dem er aufgefordert wird, den dritten Geschlechtseintrag neu zu regeln.

Gemeinsam fordern wir einen selbstbestimmten dritten Geschlechtseintrag!

Den Offenen Brief im gesamten Wortlaut und mit allen unterzeichnenden Unterstützer*innen findet ihr hier oder unter: http://www.hosi.or.at/2020/06/02/offener-brief/

Presseaussendungen dazu:

VIMÖ/HOSI Salzburg/Plattform Intersex: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200602_OTS0033/offener-brief-an-innenminister-nehammer-zum-3-geschlechtseintrag

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HOSI Wien: https://www.ots.at/…/hosi-wien-nehammer-setzt-schande-von-k…

April 2020: Innenminister verteidigt rechtswidrigen Erlass zum dritten Geschlechtseintrag

Trotz widersprechender Urteile der Gerichte hält Innenminister Nehammer am Erlass seines Vorgängers Kickl fest.

Seit dem bahnbrechenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs im Juni 2018 sollte ein dritter Geschlechtseintrag in offiziellen Dokumenten möglich sein und dazu beitragen, die Rechte intergeschlechtlicher Menschen in Österreich anzuerkennen. Mit dem Kickl-Erlass vom Dezember 2018 wurde die Möglichkeit zum neuen Eintrag allerdings extrem restriktiv umgesetzt, was dazu führte, dass viele Menschen in den Standesämtern abgewiesen wurden.

Anspruch auf die dritte Option haben demnach nur jene Personen, die mit medizinischen Gutachten eine Variante der Geschlechtsentwicklung belegen können – obwohl der VfGH im Juni 2018 klargestellt hat, dass Menschen nur „jene Geschlechtszuschreibungen durch staatliche Regelung akzeptieren müssen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen.“ Im Februar 2020 gab es überdies ein weiteres Urteil vom LvWG OÖ, das den Eintrag „inter“ erlaubt, zusätzlich zu dem im Erlass geregelten „divers“.

All dies ist für Innenminister Nehammer wohl kein Grund, den Erlass neu zu denken – stattdessen verteidigt er diesen in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der NEOs als „verfassungskonform“ und erteilt der Gleichberechtigung intergeschlechtlicher Menschen eine klare Absage.

„Es ist höchste Zeit, die Rechte jeder Person anzuerkennen, die sich nicht ausschließlich männlich oder weiblich identifiziert, unabhängig von ihren Geschlechtsmerkmalen“, so Tobias Humer, Obmensch des Vereins intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ).

Die Forderung nach Gutachten bringt in der Realität auch andere Probleme, beschreibt Luan Pertl (VIMÖ): „Viele intergeschlechtliche Menschen haben keine klare Diagnose, und diese Untersuchungen können überdies retraumatisierend wirken bei Personen, die medizinische Gewalt erlebt haben“

Eine detaillierte und leider immer noch aktuelle Stellungnahme von VIMÖ zum dritten Geschlechtseintrag aus 2018 finden Sie hier.

 

Links:

Presseaussendung VIMÖ: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200422_OTS0132/innenminister-verteidigt-rechtswidrigen-erlass-zum-dritten-geschlechtseintrag

Beantwortung der Anfrage durch Nehammer: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_00919/imfname_791319.pdf

Urteil des LvWG OÖ: https://www.lvwg-ooe.gv.at/Entscheidungen/2020/750727_5.pdf